Ein jüdischer Großvater, der in den Küchen seiner Enkel spukt – wer war er wirklich? Warum überlebte er die Nazizeit ohne Verfolgung?
Diese Frage treibt die Enkelgeneration um, jedenfalls die drei Enkeltöchter Gabriele, Felicitas und Mimi. Sie wissen nichts und spekulieren viel. Versuchen, sich Jahrzehnte nach dem Tod des Großvaters auf dessen Spuren zu begeben und sich ein Bild zu machen. Seine Identität als jüdisches Nicht-Opfer hinterlässt ein großes Fragezeichen in ihren Köpfen. Verschweigen, die Vergangenheit ruhen lassen, nach vorne schauen, das war eine Haltung, die in Millionen deutscher Familien die Nachkriegszeit prägte. Wie Beteiligung geliebter Eltern oder Großeltern an den Verbrechen der Nazis nachfolgende Generationen quälen kann, kennen viele Familien. Aber in welcher gab es einen jüdischen, nicht verfolgten Großvater?
Gabriele begibt sich auf Spurensuche und schreibt dieses Buch. Genau wie ihre gleichaltrige Cousine Felicitas sucht sie ihren befreiten Platz im Leben, frei von Traumatisierungen und Prägungen, wie sie von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden. Ob das gelingt?
Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war gekennzeichnet von dem Bedürfnis einer ganzen Generation von Kriegsteilnehmern, die Gräueltaten der Shoa unmittelbar oder durch Wegsehen zu leugnen. Lüge und Selbst- sowie Fremdbetrug prägten die 1950er und 1960er Jahre in Westdeutschland. Die Kinder begehrten 1968 auf, aber auch die Enkelgeneration hinterfragt ernsthaft die mögliche Beteiligung der Altvorderen.
Familiensysteme werden überschattet von Geheimnissen und Schweigegeboten. Wo nicht ausgesprochen wird, was geschehen ist, wird Spekulationen und Phantasien Tür und Tor geöffnet. Familien „vererben“ ungelöste Probleme und Fragen an Folgegenerationen. Dadurch können Schäden entstehen, für die Einzelne keine Erklärung haben, gleichwohl aber darunter leiden.
Diese Erzählung einer Familiengeschichte spürt den Folgeschäden nach, die durch Leugnen, Lügen, oder einfach durch Verschleierung von Tatsachen entstehen können.