Jörg Lebert über Grenzen töten von Bettina v. Minnigerode

Grenzenloses Vorlesen in Erlangen
„Live aus Erlangen“ stimmt sowohl räumlich als auch zeitlich nicht mehr (die erzählte Zeit von Bettinas vorgestriger Lesung aus „Grenzen töten“, die Zeit meines Eintippens, die Zeit eures Lesens, und Millisekunden – bei mir Sekunden, siehe unten – später die Zeit des Verarbeitens/ Begreifens / Nachempfindens / Erinnerns … )(sag mal, setzt Du solche Quermailein-Fabulierungen als Wasserzeichen?)(Ha! Und zwar schon Monate bevor Du das selber bemerkt hast!)(Schreib nicht „Du“, da fühlen sich sonst Leser:innen angesprochen)(denk Duu lieber erst mal drüber nach, warum Duu erst ins Schloss statt die Bib gestapft bist)
Bahndemie: wenn der Zug pünktlich, aber virusausgelastet
Ist Ihnen eine Ersatz-Vorstellungseinleitung durch ein anwesendes Familienmitglied genehm? – Nein, die Objektivität hätte da ein Geschmäckle… – die sind doch verschieden
Dann kam doch noch der Profi-Verkäufer, der die „schillernden Facetten“ der Autorin und ihre Lebensstationen, Berufe und literarischen Heimaten hervorhebt. (Er kann gar nichts falsch machen in unseren Augen, denn er hat explizit die anwesenden WW’ler begrüßt … und ein Hörbuch angeregt : -)
Das Buchcoverfotomotiv (Graffito) existiert noch in der Realität. Ein Slogan der neuen Zwanziger.
Und Niemandsmeer wird noch am Strand feingeschliffen
Lügendetektoren für Autor:innen sind rausgeworfenes Geld.
CSI Grenzen – imagine there are no borders/countries
Auch ehemalige Grenzen sind gefährlich und tödlich – wie die besten Liebesgeschichten
gilt auch für zeitliche Grenzen zum Vergangenen
Das fiktive Dorf auf der echten Fluchtroute. Familiäre Fluchthistorien. Landeshistorie auch KuK und Tito. Grenzhistorie, verrostet.
Und auch ohne Stacheldraht danach anfangs noch Visa in Europa.
Grenzen verwischen- ein fragiler Traum
Die Echtfoto-Show zur imaginären Handlung, zumindest räumlich: Toskana! Nein, Südsteiermark. Dia- und Postkartenidyll – zeigen
die Fotos nicht die Abgründe
(nicht nur wegen der katholischen Kirche)
die überall den aschigen Stempel in und auf die Hirnkasterl
Oh, mitreden? „Wir haben auch hier und da Flurkreuze?“ Pah! Aber nicht Golgotha lebensgroß, alle dreie komplett am Ende einer Treppe!
seid gewiss: dann ist am Ende der Woche alle Tat gebeichtet, vergeben, vergessen
und ein- nicht zweisprachiges! Schweigen das Gebot außer dem
der gigantuesken Glocke, unverrückbar in Kriegszeiten too big to steal
doch schnell wieder ins Idyll: Ein Garten Eden
ein weiterer Gigant: der Kiwibaum. Schutz vor Hitze
nicht vor sozialer Kälte
Versuchs mit R oder auch dem Po und lass Dir ein X für ein U nein Z
dann verjagen Klappentexte vielleicht auch Vögel
Maria in den Garten kam – immer wieder der Fingerzeig aufs IRL Foto
Palmen! Kakteen! Bunte Blüten! Lebendiger grüner Wandzaunteppich! Der Holzscheitschichtduft frisch bis moder n d
achich sehn das Bleiben bis zur Kiwi-Ernte – österreichische Marmelade übrigens ganz anders. Nehmet mehr Vanille!
und das „blind vor Liebumschlungen mit Kopfbiss“ der Schleichen wär Stofftiermotiv wenn kindgerecht
Arkadisische Weinberge – eben Eden
Dem geflohenen Vater und dann auch dem geflohenen Liebhaber geschrieben
das Fort-Sehnen hinter den Grenzzaun – das Woanders als Ziel und Zustand
Sonst bleibt nur das Innen, das unbegrenzte Land … Weinbergmaulwurf und (gefallne) Engel
Die Zugstrecke zum Garten Eden wie ein Lehrstück in Nature writing, natürlich nur aufs Auge beschränkt
Dafür die Enge der Täler auf die Enge der Herzen und Stirnen ausgeweitet.
(Vorsichtig ausgedrückt – siehe dazu die Quellen Bachmann, Bernhard, Frischmuth, Innerhofer, Jelinek, Menasse, Winkler, u.sicher.viele.w.)
Weitblick nur am Kreuz am Gipfel
Grundsätzlich höflich unherzlich (neindafehltkeind), altes Kleinstadtgroßhirnmuster halt: Alp en bru Tal
Such doch den Horizont, den Wind,
ich / oh Nordseekind
Und das Protokoll des x-ten Überfalls, bei dem die Freundin der nicht bahn- aber ofenbrechenden Glatze
Höflichkeitsformen einfordert wie eine verdrehte Biedermeierin
das „Nimmer“ im Wiedersehen leise sprechen
Die Kellersprunghandlung: hinterm Ofen die Koffertür hervorlocken – im Prinzip ja, Ilsebilse Lindemann, aber es war die Ofentür, die im Koffer versteckt wurde. Ach was.
Und der Tod der Protagonistin ist kein Spoiler da bereits auf Seite 1
Das Vorrrworrrt via Schlusswort
spoilert unbemerkt die Bucheshandlung
Gehört werden und gehören
Fransige und blutige Lippen
nach blinddahergeschlichenen Musenküssen
Ja, schleich Dich aus meinem Paradies
Aus Deinem Nichtdorf
Aus
Worte von vorgestern
Unvergeben aber selbstvergessen
vergangen aus vorbei
Hinausekeln durchs Umfeld
ist das eine
durch den Partner:
ein Stoß ins Bodenlose
(Die hochgelobte Selbstverwirklichung, die mit Paarentwicklung kollidiert … das erinnert mich an Kambo von Thomas, das das ebenfalls zum Thema hat, allerdings mit weniger drastische Ende…)
Fade out to freedom
Fransig auch das Anreden gegen aktuelle österreichische Jodl-Dirndl-Kultureinschränkung
Ach wäre es so witzig wie es klingt
Man muss dort manche Stein-Mahnmale mittlerweile schon einbetonieren
und Hinweisschilder zweisprachig? Nawennseinmuss
aber die Ortsschilder? Nein –
Eigentliche und Uneigentliche gehören schließlich apart unterschieden
Nur einzelne Hoffnungstropfen wie die Ehrenbürgerwürde funkeln kurz und zerstieben
auf den Steinen
fragil wie unsere Freiheit