Corona Virus Pandemie – Poesie 2
Ganz von selbst laufen meine Gedanken am Schreibtisch in Richtung der Krise. Und ich komme nicht umhin sie aufzuschreiben.
Welcher Tag ist heute? Was für ein Tag wird sein? Abstand halten ist das Gebot. Räumlich wie reglich. Nur keine Regungen und Erregungen. Keine Umarmung, aber auch keine Mimik. Stattdessen Masken. Was gestern noch höflich war, ist heute die schiere Unvernunft und morgen suizidal. Welcher Tag ist heute? Der Winter ist gekommen. Die Tage der Krise gleiten wie Kettenglieder ineinander. Seit Januar verfolgt die Welt jede Bewegung des Erregers und jede Gegenreaktion. Welcher Abend ist’s? Keine Sorge, es ist schon Mitternacht. Fünf nach zwölf ist es genau genommen, und du kannst schlafen gehen. Auch Engel ruhn, und der Größenwahn der Mittelgebirge hat bis zum Morgen Pause. Dann folgt die Auferstehung der Medien in der nächsten Covid 19 Sause. Es gibt keine milden Utopien mehr. Heiner Müller ist auch schon tot. Lange vor der akuten Virenschwemme hatte er einen Verdacht. Vielleicht ist der Mensch gar nicht die Krone der Schöpfung. Sondern nur so eine Art Kneipe für Viren. Der Dramatiker als Orakel, eine Generation vor Twitter. Wenn wir alles an uns heranließen, könnten wir nicht schlafen.
An den Rändern des Tages ist digitales Händewaschen angesagt. Nur keine viralen Fakes weiterleiten. Der Hammer und der Tanz. Lockdown, die Menschheit einsperren oder durchseuchen. Welcher Schrecken ist der bessere? Peak Panic feiert ihren Durchmarsch in den Medien. Mit Atemschutz geht es ins Niemandsland. Wir müssen schnell sein. Dürfen nichts bereuen, was verordnet wird. Es gibt keine milden Utopien mehr. Frauen, die ich nie verführte. Deren Gegenwart ich spürte. Dior produziert Desinfektionsmittel. Die Lehre von der zweckorientierten Ethik schleicht sich in den Schlaf und vom Bett bis in das Morgen. Wie spät ist es? Und welcher Tag? Entscheidungen sollten daran gemessen werden, ob sie der größtmöglichen Zahl von Menschen das größtmögliche Wohlbefinden garantieren. Was ist, wenn ich zu lange schlafe? Vielleicht bis fünf nach acht? Gerate ich über Nacht in das Alter, wo ich der Ethik zum Opfer falle? Fremdenhass, wer hat die neue Lungenseuche zu uns Menschen getragen? Panikkäufe und die Vergötzung von Quacksalbern schmieren am Morgen die Mediensause. Was hilft das digitale Händewaschen?
Ich taumele durch den Tag. Er gibt mir nicht die Hand, ist nicht im Einvernehmen mit mir. Misstrauen gegenüber anderen Menschen und der zivilisierten Außenwelt sind das Gefühl der Stunde. Nie bin ich allein zu Hause. Das Kriegsgebiet im Kopf begleitet mich. Virale Worte: Respekt, perfekt, verreckt. Der Tag vermummt mir das Gesicht. Wieder ein Tag, der sich vor Menschen ekelt. Ein Tag, der uns nicht die Hand gibt. Meine Miene wird zur Maske. Wer krank und gefährlich ist, hält mich für krank und gefährlich. Wer gelangweilt, frustriert und ängstlich ist, streut das weiter. Ein Super Spreader viraler Worte: Denunziant, Blockwart, Vaterland. Notstand von unten. Der Herr nutzt alle Hände. Weinläden haben geöffnet und die Bibliotheken schließen.
In der Krise werden die sozialen Netze enger geknüpft. Zugleich wird die Freundschaft leichter austauschbar. Auf Facebook kann ich mich entfreunden. Eine Runde Social Media und dann Homeoffice. Durchschaue ich mich selber noch, wenn die Trauer Atemmasken trägt? Wenn die Körper Abstand halten müssen, bleibt das Herz, um zueinander zu finden. Virale Worte: Skype für die Seele. Komm ins Offene, Freund! Und schau der Gesellschaft beim Denken zu.
Reimer Boy Eilers