In der diesjährigen März-Nummer der Brasilianischen Literaturzeitschrift LITTERA erschien die Übersetzung der Erzählung »Regenzeit in Cusco« von Peter H. E. Gogolin. In der April-Nummer wird dort ein Interview mit dem Autor zu lesen sein, und im Mai soll eine Übersetzung der Anfangskapitel aus dem Roman »Calvinos Hotel« bzw. aus dem Roman »Der Mann, der den Regen fotografierte« folgen. Die Entscheidung für den einen oder anderen Roman fällt im Mai. Beide Romane liegen inzwischen in der Übersetzung von Jan Oldenburg vor. Es wird also eine Präsentation von Peter H. E. Gogolin und seines Werkes über die Dauer eines Vierteljahres hinweg werden.
Die Erzählung »Regenzeit in Cusco«, mit der die Zeitschrift LITTERA ihre Vorstellung unseres Autors begonnen hat, ist zudem die Vorveröffentlichung eines Erzähltextes aus seinem neuen Prosaband »Morgen ist ein anderer Tag«, der bereits im kommenden Herbst erscheinen wird. Gogolin bezeichnet diese erzählerische Sammlung, die auch erstmals seinen New York-Text »Ein veränderter Mensch« und neben »Regenzeit in Cusco« die römische Erzählung »Bella Bionda« enthalten wird, im Untertitel als »Nahezu realistische Erzählungen«. Er grenzt das Buch damit einerseits von »Isoldes Liebhaber« ab, der bereits im Sommer 2020 bei den Kulturmaschinen erschienenen Sammlung mit Phantastischen Erzählungen. Zudem bezieht er sich damit auf den Satz von Heimito von Doderer, einem seiner Lieblingsautoren: »Alles ist zugleich trivial und wunderbar, und so muß es denn auch von diesen beiden Seiten erfaßt werden: das ist die eigentliche Kunst des Erzählens.«
Die Begegnung mit seinem Übersetzer Jan Oldenburg schilderte Peter H. E. Gogolin in der Zeitschrift »Cultureglobe« so: »Im Frühjahr 2012 begegnete mir Jan Oldenburg auf einem Amazonas Dampfer, wir waren unterwegs nach Belém do Pará, dem Bethlehem, das auf den Wassern schwimmt. Ich war froh, an Bord einen Europäer zu treffen, denn mein brasilianisches Portugiesisch war hundsmiserabel, und als sich herausstellte, dass er ein Niederländer war, da fühlte ich mich, als sei ich fast zu Hause angekommen, schließlich hatte ich zwischen meinem 16. und dem 20. Lebensjahr immer wieder ganz und vorübergehend in Holland gelebt; vermutlich wäre ich dort geblieben, wenn mich der Militärdienst nicht zurückgezwungen hätte.
Ich kam aus Peru und er, wenn ich mich recht erinnere, aus Chile. Als ich fragte, weshalb er dort gewesen sei, sagte er nur, wegen einer Frau. Er machte wohl den Weg nicht zum ersten Mal, denn er kannte sich aus, half mir, mich an Bord zu orientieren, verhinderte, dass ich meine Hängematte an Deck ausgerechnet dort aufhängte, wo mich der tägliche Nachmittagsregen, der von Westen kam und das Schiff kurz nach 15 Uhr einholte, mit Sicherheit erwischen würde, und ja, er beschützte mich auch, was ich anfangs gar nicht bemerkte, vor anderen Passagieren und ihren möglichen Absichten. Denn er sah und hörte alles, vor allem auch das, was ich entweder gar nicht oder immer zu spät wahrnahm. Und, nicht zu vergessen, er hatte ein Messer in der Tasche, das er demonstrativ sehen ließ. Warum er das tat, fragte ich ihn, und er sagte, damit sie es wissen und ich es nicht benutzen muss.
Oldenburg war ein Globetrotter, ein Kerl von der Sorte, die eigentlich längst hätten ausgestorben sein sollen, ein Reisender, wie man sie nur noch in Büchern von Paul Bowles, Blaise Cendrars oder Henry Miller antrifft. Also kein Tourist, sondern jemand, der in der Welt unterwegs ist, nicht von A nach B, sondern immer weiter, und der dabei selbstverständlich sein ganzes Leben einsetzt. Und in seiner Bewunderung für die Frauen ähnelte er in der Tat einem Henry Miller. Man konnte sehen, dass zwischen den Frauen und ihm etwas vorging; da war keine, die ihn nicht bemerkte, wenn er vorbeiging. Vermutlich, weil sie instinktiv spürten, dass er jede von ihnen wollte. Miller war sowas wie sein großes Vorbild, denn er war natürlich auch ein Romantiker, glaubte an Liebe, Verlust, Verrat und Schicksal. Und natürlich schrieb und übersetzte er. Reisen, ohne zu schreiben, sagte er, geht das überhaupt?
Als wir in Belém, in der Baía de Guajará, an der Mündung des Rio Guamá, anlegten, wurde Jan mein Stadtführer. Ich wusste wenig von der Millionenstadt im Norden Brasiliens. Im Grunde kaum mehr, als dass Ernst Jünger in seinem wenig beachteten Reisebericht »Atlantische Fahrt« die Aufzeichnungen einer Brasilienreise veröffentlicht hatte, die ihn über die Azoren nach Belém, Recife, Sao Paulo, Rio de Janeiro und Bahia führte. Dazu kannte ich Hubert Fichtes Bücher über die synkretistischen Religionen Südamerikas. Mit anderen Worten, wie so oft in meinem Leben, war mein Wissen literarischer Art. Da tat ich gut daran, mich Jan Oldenburg und seinem Messer anzuvertrauen.
Aus unseren Streifzügen durch die Stadt und ihre Abgründe, auf denen Jan bei Tag und Nacht mein Vergil war, wurde später mein Roman »Der Mann, der den Regen fotografierte«. Er erschien im Frühjahr 2017.«
Eine spannende Begegnung, aus der nun also auch Gogolins eigene literarische Vorstellung in Brasilien geworden ist. Wir freuen uns mit dem Autor und den Leserinnen und Lesern in Brasilien.