In seiner neuen Rezension zu Ralph Roger Glöcklers Roman »Das Ächzen der Steine« erkundet Autor Peter H. E. Gogolin die dunkle Seite der menschlichen Psyche und beleuchtet das eindrucksvolles Porträt eines Mörders, das weniger nach Schuld fragt als nach Erkenntnis und das Leserinnen und Leser mit der unbequemen Frage konfrontiert: Wie menschlich ist das Unmenschliche?
»Die Welt ist ein sehr mysteriöser und verwirrender Ort. Wenn du diese Verwirrung nicht spürst, bist du nur eine Kopie von jemand anderem«, schrieb der amerikanische Sprachwissenschaftler Noam Chomsky. Was natürlich im Umkehrschluss auch heißt, dass uns die Welt desto fragwürdiger wird, je eigenständiger wir sind und denken. Aus solchem Stoff entstehen die Unangepassten, die Ausgestoßenen, die Misfits der Gesellschaft, aus denen notfalls Schriftsteller werden könnten, die ihr Leben damit verbringen, diesen mysteriösen Ort zu kartographieren. Jean-Paul Sartre hat uns mit seiner großen Studie über Jean Genet das Porträt eines solchen Ausgestoßenen hinterlassen. »Saint Genet, Komödiant und Märtyrer«. Genet, der Dieb, der Dichter und Heilige.
Ralph Roger Glöcklers Roman »Das Ächzen der Steine« ist diesem Werk Sartres durchaus an die Seite zu stellen. Nicht weil »Marto«, der Protagonist seines Buches, ein Heiliger wäre. Er ist im Gegenteil ein vielfacher Mörder. Oder weil auch ihm das Schreiben als Medium dient, den für ihn mehr und mehr undurchdringlich werdenden Dschungel seiner Umwelt und seines Denkens zu erhellen, sondern weil Glöckler wie Sartre eine Antwort auf die Frage versucht: Was ist der Mensch? Und die poetische Prosa seines Tiefenporträts besitzt dabei eine sprachliche Trennschärfe, die ihresgleichen sucht. Die analytische Kraft seiner Darstellung seziert Martos Bewusstsein ebenso gnadenlos und vielschichtig wie die Strukturen und das Verhalten seiner Umwelt. All das stellt sein Buch für mich auf die Stufe von Sartres brillanter biografischen Studie. Empfindsame Leser, die es auf unserem Planeten der Massaker ja noch geben soll, mögen diesen Hinweis durchaus als Warnung verstehen. Denn Glöcklers Charakter-Schilderungen sind meilenweit entfernt von all den netten Leuten, die ja immer etwas Leeres und Bedeutungsloses an sich haben, wie die Charaktere oberflächlicher und gefälliger Roman.
Von Peter H.E. Gogolin
Die ganze Rezension finden Sie auf Faustkultur: https://faustkultur.de/literatur-buchkritik/keine-monster-zu-finden-zu-ralph-roger-gloecklers-roman-das-aechzen-der-steine/



