Fettnäpfchen oder Programm? Unser Kanzler zeigt sich als guter Deutscher, der gerne saubere Straßen und ein Stück Schwarzbrot zum Frühstück hat. Deshalb fühlt er sich im Ausland auch nicht wohl; verständlich. Seine Äußerungen zum brasilianischen Lebensgefühl und zum Frühstücksbuffet in Angola wirken so ungeschickt und provinziell, dass man unwillkürlich ein Gefühl der Peinlichkeit verspürt. Aber dann denkt man weiter – und stellt sich ein paar Fragen.
Kann ein Finanzhai wirklich so provinziell sein?
Nein, er kann nicht. Er tut nur so, als sei er aus dem Sauerland nie herausgekommen. Als Blackrock-Veteran und Besitzer eines Privatjets hat er schon etliche ausländische Frühstücksbuffets genossen.
Warum sagt er dann sowas?
Ich fürchte aus Berechnung. Er denkt an seine Wähler. Besonders an deutschfühlende Wähler mit Ressentiments.
Mich erinnert der Ruf nach deutschem Brot in Angola an „Filterkaffee statt Chai Latte“ und „Bier statt Cocktails“ – lifestyle-Vorschläge von Maximilian Krah in seinem Buch „Politik von rechts“.
Vielleicht liegt dieses Buch ja bei Friedrich Merz auf dem Frühstückstisch?
Krah stellt darin folgende Frage: „Selbst, wenn sich eine restriktive Einwanderungspolitik in 10 Jahren durchsetzen ließe, bleibt die Frage, was mit den dann im Land befindlichen Menschen mit Migrationshintergrund geschehen soll.“
Und Merz antwortet: „Bei der Migration sind wir sehr weit. (…) Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem. Und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.“
Kulturkampf von rechts, Provinz ist Programm, der Wind weht braun, und wer sein Fähnchen nicht danach ausrichtet, ist schon auf dem Weg in die Illegalität.
Darauf ein Champagner, Friedrich! Oh, Entschuldigung: ein Bier!
A propos Kultur: Es gibt diverse Verschwörungstheorien, die davon ausgehen, dass wir von Reptiloiden, Illuminaten, Davos oder Christdemokraten regiert werden. Das meiste ist bestimmt Unfug, aber aufgrund von aktuellen leaks seiner frühen Gedichte kann ich allen, die dies lesen, versichern, dass unser Kulturstaatsminister ein Vogone ist.
Vogonen sind nur die drittschlechtesten Lyriker des Universums. Aber sie sind äußerst übellaunige Bürokraten. Ehe sie ihre Gefangenen in den Hyperraum abschieben, foltern sie sie mit Lesungen ihrer Gedichte. Und jetzt stelle man sich vor, die Menschen, die in Abschiebehaft auf die Rückführung in Länder ohne jedes vernünftige Brot, dafür mit echten Kriegen und Diktaturen warten, bekommen zum Andenken an Deutschland solche Verse mit auf den Weg: „überwuchert mit Eiterbeueln / nötigt er die Schwangere / zum Fleischreiben / sein Pech / dass sein Schwanz platzt“. Den Rest vom Gedicht hören sie nicht mehr, weil sie so laut „Hyperraum! Hyperraum!“ schreien. Und den Rest der Geschichte kann man bei Douglas Adams nachlesen.
Zum Schluss noch eine gute Nachricht. Ich glaube, dass einer der besseren zeitgenössischen Poeten unerkannt in Övelgönne am Elbhang wohnt. Er sitzt Tag für Tag auf derselben Bank. Jetzt im Winter hat er ein paar Decken mehr. Und liest und schreibt. Wenn einer ihn entdecken möchte und ihm im Gegenzug ein Obdach anbieten, bitte melden. Es sollte aber mit Elbblick sein.
Christine Sterly-Paulsen
Douglas Adams: A Hichthiker’s Guide to the Galaxy / Wolfram Weimer: https://taz.de/Alte-Gedichte-des-Kulturstaatsministers/!6132059/ / Maximilian Krah: Politik von rechs. Ein Manifest / https://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_Krah / Friedrich Merz: https://www.youtube.com/shorts/Th5j9tbuqIA



