Vor einigen Monaten erst habe ich gelernt, dass im Französischen ein neues, neutrales Pronomen eingeführt wurde, nämlich: iel. Und dann, ganz kürzlich, ging mir auf, dass dieses Pronomen unglaublich praktisch sein könnte, um granatenwerfende Belästiger wie Gérald Darmanin subtil zu beleidigen. Wenn iel nicht gern mit diesem, seine Männlichkeit in Frage stellenden Wort bezeichnet würde, so könnte man iel entgegnen, man drücke sich gern korrekt aus und wolle iel keinesfalls sexuell diskriminieren. Anders als das bekannte Darmanin Caca Boudin (“Darmanin Kackipups”) hätte so ein iel überhaupt keine strafrechtlichen Folgen.

Im Deutschen gibt es seit jeher ein neutrales Pronomen: es. Wenn man Personen gleich welchen Geschlechts als es bezeichnet, würden sich dennoch die meisten von ihnen beleidigt fühlen, binär oder nicht. Deshalb wurden auch bei uns neue, neutrale Pronomen erfunden, gleich mehrere, die konkurrieren. Zie, ey, ve, tey, xier, xi, nin, sif, per, hen oder dey – um nur eine Auswahl zu nennen. Das eröffnet neue, ungeahnte Möglichkeiten für außerirdisch anmutende Dialoge und für Beleidigungen ebenfalls („Ey, sif!“), ist aber zugleich super unpraktisch.

Ich habe einen einfachen, innovativen Lösungsvorschlag für dieses Problem. In einem früheren Leben als Ethnologin habe ich auf Madagaskar die einzige wirklich gendergerechte Sprache kennengelernt. Malagasy besitzt kein grammatikalisches Geschlecht. Das Pronomen für er, sie, es und alle anderen ist izy (gesprochen wie easy!). Alle Nomen existieren nur in der geschlechtsneutralen Form. Wer sie als männlich oder weiblich markieren möchte, muss mühsam ein „lahy“ oder „vavy“ anhängen. Und sogar die Vornamen werden schmerzfrei auf alle Geschlechter verteilt. Frauen heißen Victor oder Richard, Männer Mamy („Süße“) oder Tiana, und keiner findet was dabei.

Mein Vorschlag ist folgender: Wir mieten das madagassische izy (easy!). Weil Madagaskar eins der ärmsten Länder der Welt ist und mit am schlimmsten unter dem Klimawandel zu leiden hat (Dürre, Zyklone…), an dem seine Bevölkerung, anders als wir, keinerlei Schuld trägt, wäre eine Abgabe auf die Benutzung dieses Pronomens eine kleine, sinnvolle Unterstützung. Wenn bei jeder Nutzung nur 5 Cent eingezahlt werden, wird das deutsche Bildungsbürger keineswegs schmerzen und einem sehr armen Land, das sich trotzdem den Luxus erlaubt, sich politisch korrekt auszudrücken, helfen.

Übrigens steht das Wort Gender auf meiner persönlichen Hitliste der blödesten englischen Lehnwörter ganz weit oben. In englischsprachigen Ländern sagt man gender, um nicht sex zu sagen. Weil man bei sex natürlich gleich an Sex denkt und das mit Gender bekanntlich nichts zu tun hat. Auf Deutsch kann man aber möglicherweise das Wort Geschlecht benutzen, ohne gleich wilde Orgien vor Augen zu haben? Wenn doch, gibt es ersatzweise auch Genus, das schlicht das grammatikalische Geschlecht bezeichnet, ohne jede Assoziation. Ich würde meinen Vorschlag dementsprechend erweitern und bei jeder Benutzung von „Gender“ zwei Euro spenden lassen. Damit wäre nicht nur der Geschlechtergerechtigkeit geholfen, sondern zugleich, ein ganz winziges Stück, der Gerechtigkeit auf der Welt.

 

Christine Sterly-Paulsen